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Vollständige Bilder ergeben sich nicht zufällig |
21. Februar 2007
Auf
der „Mallorca-Party“ des Fußballclubs ging es hoch her: Als der junge
Mann damals in die Kamera grinste, hätte er allerdings nicht gedacht,
dass die privaten Fotos einmal Thema in einem Bewerbungsgespräch werden
könnten. Über die Internet-Seite des Sportvereins hatte das
Unternehmen, bei dem er sich beworben hatte, die digitalen Spuren von
der durchzechten Nacht gefunden.
Eigentlich
sollte es selbstverständlich sein, doch die Naivität ist noch immer
groß im Internet: Bei der Verwendung des Eigennamens ist Vorsicht
geboten, vor allem in Chats, Foren oder Web-Communities, in denen man
die persönliche Meinung gerne mal unverblümt kundtut - und nur
scheinbar anonym. Selbst Nutzer die dies schon bedenken, nutzten
allerdings an vielen Stellen immer wieder den gleichen Alias-Namen.
Auch das lässt sich leicht recherchieren.
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Datenrecherche - war da noch was? |
Immer mehr Bewerber stolpern einer
Studie des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater (BDU) zufolge
über Spuren, die sie im Netz hinterlassen. „Offensichtlich gehört es
mittlerweile für viele Personalberater dazu, das Internet auf den Namen
des Kandidaten zu durchsuchen“, sagt BDU-Vizepräsident Joachim Staude.
26 Prozent sortieren Bewerber aus
Für
die Studie wurden 300 Entscheidungsträger aus
Personalberatungsgesellschaften befragt, ob sie schon einmal
Informationen über einen Bewerber im Netz gesucht hätten. Das Ergebnis:
28 Prozent überprüfen Angaben im Lebenslauf von Bewerbern, 70 Prozent
der Personaler recherchieren schon mal darüber hinaus. Und: 26 Prozent
gaben an, dass sie Kandidaten nach dem Suchergebnis aussortiert hätten.
„Das Ergebnis hat uns selbst überrascht“, erklärt Staude. Für einige
Unternehmen sei die Internet-Überprüfung eines Bewerbers mittlerweile
fester Teil der Auswahl neuer Mitarbeiter. Das Netz biete
Informationen, die früher kaum zugänglich gewesen seien. Das habe
Vorteile, denn neben Urlaubs- oder Partybildern kommen auch handfeste
Informationen zu Tage. „Es kann zum Beispiel sein, dass ein Bewerber
Mitglied in einer Partei oder einem Verein ist, der der Firma nicht
zusagt, etwa einem rechtsradikalen Studentenverbund“, sagt Staude.
Ob
auf Internet-Seiten von Vereinen, in Chatforen, Gästebüchern oder in
Datenbanken wie Open BC, in denen sich ehemalige Schulfreunde suchen
und persönliche Daten hinterlegen: Die Quellen für die Personalberater
sind vielfältig - und der Hang zur öffentlichen Selbstdarstellung
häufig groß. „Die Unternehmen sind darauf angewiesen, Informationen zu
überprüfen“, sagt Sylvia Knecht, Sprecherin des Düsseldorfer
Personaldienstleisters DIS, „das Internet ist ein gegenseitiges
Informationsmedium.“ Warum also sollten Unternehmen das nicht nutzen,
fragt Knecht rhetorisch. „Heute werden immer häufiger Bewerbungen
gefälscht.“ Moderne Technik mache es möglich, ohne viel Aufwand falsche
Zeugnisse zu erstellen. „Mit einem Farbkopierer können Sie schon
allerhand machen“, glaubt Knecht. Deshalb könne sie verstehen, dass
Firmen alle zur Verfügung stehenden Quellen ausnutzen. „Nutzen Sie das
Internet zum Bewerbermanagement“, ermunterte Knecht jüngst bei
„Management Meetings“, einem informellen Netzwerktreffen für
Personalprofis, ihr Publikum. Und mahnte zur Sorgfalt: „Sie können die
Diplomarbeit des Bewerbers im Netz suchen, Mitgliedschaften in
Vereinen, Verbänden oder Netzwerken, Absolventenlisten, Forenbeiträge,
Presseberichte. Machen Sie sich ein Bild.“
Allerdings
birgt die Online-Recherche auch Risiken, denn Foto-Schnappschüsse und
Mitgliedschaften in Vereinen und Organisationen bieten nur ein
oberflächliches Bild von einem Bewerber. Außerdem sind
Internet-Einträge manipulierbar. So warnen Knecht wie der BDU
Unternehmen, zu leichtgläubig auf die Einträge im Netz zu vertrauen.
Personalberater müssten überprüfen, ob die Quellen seriös seien und
nicht womöglich Unwahres über den Bewerber verbreitet werde. „Prüfen
Sie die Quelle, wägen Sie die Relevanz der Informationen ab und
diskutieren Sie sie mit dem Bewerber“, rät Knecht den Personalern.
Aufs Fragerecht kommt´s an
Achim
Braner, Arbeitsrechtler in der Luther-Rechtsanwaltsgesellschaft in
Eschborn erinnerte bei den „Management Meetings“ an die Rechtsprechung
des Bundesarbeitsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs. Das
Fragerecht des Arbeitgebers sei eingeschränkt worden - etwa im
Zusammenhang mit Schwangerschaft oder Behinderungen. Deshalb suchten
sich Unternehmen andere Quellen. Aber wie weit dürfen sie gehen? (siehe
auch: Deine Spuren im Netz)
Professor Wolfgang Däubler, Arbeitsrechtler an der Universität Bremen,
vertritt Braner zufolge den Grundsatz, dass nur genutzt werden dürfe,
was auch durch das Fragerecht des Arbeitgebers gedeckt sei. Das wären
dann praktisch nur solche Daten, die sich im persönlichen
Bewerbergespräch oder im Assessment-Center ermitteln ließen. Eindeutig
private Daten seien demnach tabu. Braner hält die Einschätzung für
nicht praktikabel, stellt aber die Frage nach einer vernünftigen
Kosten-Nutzen-Relation der Online-Recherchen. Personaler sollten sich
fragen, welche Art von Stelle sie zu besetzen hätten: „Ab welcher Ebene
sind all die Recherchen eigentlich sinnvoll?“
Wer
im Mathe-Forum durch Fragen auf Mittelstufenniveau auffällt, mag sich
sein Praktikum beim Wirtschaftsprüfer verbauen. Diese Recherche ist
rechtlich unproblematisch. Andere Regeln gelten für die Dokumentation:
Die Aufnahme der Suchergebnisse in die Personalakte ist nur erlaubt,
wenn es einen engen Bezug zum Beruf gibt.
Simone
Schmücker, Personalchefin des Hofheimer IT-Unternehmens „Iron Mountain“
bezweifelt, dass die Recherche überhaupt zu den Kernkompetenzen der
Personalabteilungen gehört. Jürgen Jäckel, Personalchef des Frankfurter
Flughafenbetreibers Fraport, bestreitet nicht, dass immer wieder
Unterlagen gefälscht werden, mahnt aber seine Fachkollegen, mehr
Vertrauen zu entwickeln, um die Arbeitgeber-Marke nicht zu beschädigen.
„Wenn rauskommt, dass Sie als Unternehmen systematisch Bewerber im Netz
ausforschen, fällt das negativ auf Sie zurück.“